thinXXS Microtechnology GmbH / Zweibrücken
Polymer-Chip für ‚Lab-on-a-chip‘-Anwendungen / LOC
(Foto: Mit freundlicher Genehmigung von thinXXS Microtechnology GmbH / Zweibrücken 2022)
thinXXS GmbH – ein Blick auf Bürogebäude und Produktionshallen auf dem Standort der Hochschule Zweibrücken (ehemalige Kreuzberg-Kaserne)
(Foto: Mit freundlicher Genehmigung der thinXXS Microtechnology GmbH / Zweibrücken 2022)
Worum es geht...
Nach der Miniaturisierung der Elektronik schrumpfen inzwischen Apparate und Analyseverfahren ebenso für biologische und medizinische Technologien, wodurch neue Anwendungsmöglichkeiten geschaffen werden. Ein stark wachsender Forschungs- und Anwendungsbereich, der sich mit dem Verhalten von Flüssigkeiten in Mikrokanälen beschäftigt, wird als Mikrofluidik bezeichnet. Das 2001 aus dem damaligen Landesinstitut für Mikrotechnik Mainz (inzwischen ein Fraunhofer-Institut) ausgegründete Unternehmen thinXXS repräsentiert wichtige Facetten dieser Entwicklung. Seit der Ausgründung in Mainz teilweise auch schon in Zweibrücken angesiedelt, wurde der vollständige Umzug in die Hochschule im Jahre 2005 vollzogen.
Seit 2017 ist thinXXS eingegliedert in das weltweit tätige Unternehmen IDEX Corporation (mit Sitz in Lake Forest, Illinois, USA), das sich auf das Entwerfen und Fertigen von Flüssigkeitsbaugruppen und Präzisionskomponenten für ein breites Spektrum von Anwendungen spezialisiert hat, die eine präzise Steuerung und Messung erfordern und zu optimierten OEM-Fluidiksystemen führen.
Unter OEM („Original Equipment Manufacturer“) versteht man hier, dass ein Unternehmen nicht Endkunden, sondern Partnerfirmen beliefert, die wiederum diese Produkte unter ihrem eigenen Namen vermarkten. Die Kunden von thinXXS sind namhafte, internationale Unternehmen, in deren Auftrag die Systeme entwickelt und mit einem modernen Maschinenpark in großen Stückzahlen hergestellt werden. Mit dem Erwerb des Zweibrücker Unternehmens und seinen innovativen Ansätzen hat IDEX seine Kompetenz sowie sein Produktangebot in spezifischen Bereichen der Mikrofluidik erweitern können.
Im oben gezeigten grundlegenden Bauteil solcher Anwendungen, einem sog. Chip, sind deutliche Strukturen zu erkennen, gewissermaßen ihr inneres Kanalsystem. Dies sind Transport- und Mischkanäle von linearer, runder und ovaler Form, teilweise mit Zusammenführungen und Abzweigungen. Diese durch externe Energiezufuhr steuerbaren Strukturen erlauben Fließen, Speicherung und Mischung von kleinsten Mengen von Flüssigkeiten, etwa aus einer Blutprobe.
Bei Lab-on-a-Chip-Anwendungen werden der zu untersuchenden Probe auf dem Chip sogenannte Reagenzien zugeführt, die eine sofortige Analyse erlauben, so etwa im Hinblick auf z.B. Diabeteserkrankungen oder Infektionskrankheiten, und zwar vor Ort, etwa direkt am Bett des Patienten oder in der Praxis des behandelnden Arztes.
In einem klassischen Laboransatz werden Elemente für spezifische Funktionen einer Nachweismethode (sog. Assay) durch aufwendige Hardware bereitgestellt, z.B. Pumpen, Ventile, Sensoren und Membranen. In der Mikrofluidik erfolgt dies in miniaturisierter Form, zusammengefasst auf einem Chip, für dessen Verwendung i.d.R. ein spezielles Gerät benötigt wird. Angetrieben werden die Funktionseinheiten auf dem Chip durch dessen spezielle innere Struktur sowie durch Steuerungselemente des Gerätes, z.B. über mechanische, magnetische oder optische Treiber. Zudem können eingelegte Folien sog. Formgedächtnis-Funktionen ausüben. Auch hierzu werden etwa Druck oder Entlastung an bestimmten Stellen des inneren Kanalsystems des Chips durch externe Treiber ausgelöst. Mit Hilfe solcher miniaturisierter Analysesysteme können Tests in kürzester Zeit und vor Ort beim Patienten (POCT - ‚Point of Care Testing‘) abgeschlossen werden. Untersuchungsergebnisse werden deutlich ausgegeben, z.B. durch optische Signale, über digitale Anzeigen oder einen Ausdruck.
Wie es dazu kam...
Aufgrund seiner rasanten Geschäftsentwicklung hatte thinXXS einen neuen Firmenstandort gesucht, der den dringend benötigten Ausbau des Unternehmens erlaubte. Das alte Kasernen- und zukünftige Hochschulgelände auf dem Kreuzberg in Zweibrücken, bis dahin vom amerikanischen Militär genutzt, bot dafür ideale Voraussetzungen.
Die Aufgabe des von den Amerikanern genutzten Flugplatzes in Zweibrücken 1991 führte zum direkten Verlust von Hunderten von Arbeitsplätzen und bewirkte weiträumig erhebliche Verwerfungen in der lokalen und regionalen Wirtschaftsstruktur.
Als Reaktion legte die Landesregierung ein umfassendes Konversionskonzept vor. Innovativster Teil war hier die Gründung eines ‚Substandorts‘ der Hochschule Kaiserslautern in Teilen der ehemaligen Zweibrücker Kreuzbergkaserne. Der hier deutliche regionalpolitische Wille begleitete allerdings die in dieser Zeit ohnehin starken bildungspolitischen Strategien, das traditionelle deutsche Hochschulsystem geographisch gleichmäßiger zu verteilen und fachlich stärker auszudifferenzieren.
Bestehende Universitäten des Landes, insbesondere Mainz und Kaiserslautern, nahmen hier im Gründungsprozess Funktionen als ‚Paten‘ wahr, in Zweibrücken vor allem deutlich durch neue Ansätze in der Informatik und Mikrosystemtechnik.
Seit etwa zwei Jahrzehnten sind nun, nicht zuletzt in einigen renovierten ehemaligen Kasernenbauten, neue Innovationsfronten entstanden, zu erklären vor allem durch bisher unübliche fachübergreifende Lehr- und Lernbedingungen. Hier bewusst gepflegte Überschneidungsbereiche, so z.B. zwischen Betriebswirtschaft, Informatik, Mikrosystemtechnik und Medizin, haben zu einer Reihe von erfolgreichen Ausgründungen und Ansiedlungen geführt.
Quellen: Schmidt, Silke, Hoffmann, Wolfgang & Dierks, Christian (2014) Portable Lab-on-a-chip-Systeme: Hip oder Hype? In: Deutsches Ärzteblatt, 111:19 (6 Seiten)
https://www.thinxxs.com/de/homepage_de/;
Zu Geschichte und Stand des Konversionsprojekts, in dessen Rahmen die Hochschule Zweibrücken gegründet wurde, siehe
https://www.hs-kl.de/hochschule/aktuelles/menschen-und-projekte/pm-2019-11-07-alle-jubeljahre-2019-hochschule-kaiserslautern-feiert-dreifach-jubilaeum
Anmerkung: Die Texte sind entstanden in enger Absprache von Dr. Gerhard Herz, Dr. Dieter Holzdeppe und Dr. Dietrich Soyez (alle Freundeskreis Zweibrücker Industriekultur) sowie Dr. Christian-Albrecht Kaendler (thinXXS Mikrotechnologie GmbH, Zweibrücken)