Auf welchen Pressen druckte Georg Ritter Anfang der 1830er Jahre?
Wir dürfen davon ausgehen, dass es sich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dabei immer um Pressen handelte, die sein Schwiegersohn Christian Dingler produziert hatte. Im Journal für Buchdruckerkunst, Schriftgießerei und... von 1836 (s.u.) schreibt Dingler bei der Beschreibung seiner Hagarpresse „Bei der Ausführung derselben haben wir unsere eigenen auf langjährige Beobachtungen in diesem Fache gestützten Erfahrungen berücksichtigt und mögliche Solidität mit Eleganz verbunden.“ Wo aber kann man solche Beobachtungen besser machen als im produktiven „Echteinsatz“ in einer befreundeten Druckerei?
Leider ist eine genaue zeitliche und räumliche (Kunden) Zuordnung der vielen Pressen aus der Werkstatt von Christian Dingler – auch wegen der Vielzahl der verschiedenen Typen und in Ermangelung von Aufzeichnungen über gelieferte Pressen – zurzeit (noch) nicht möglich. Sollte es gelingen das „Hausbuch“ (s.u.) aufzufinden, könnten die ersten (entscheidenden) 10 Jahre im Hinblick auf Lieferungen von Pressen bzw. den Bezug ihrer Komponenten sicherlich genauer ausgewertet werden.
Auszug „Der Schönhof“, 1941
Beim zeitlichen Bewerten der Veröffentlichungen mit denen Dingler seine Pressen ankündigte (s.u.), dürfen wir zudem davon ausgehen, dass Dingler alle seine neuen Pressen zu ausgiebiger Erprobung im normalen Druckbetrieb, zunächst dem Schwiegervater zur Verfügung stellte; hierfür sollte man einen Zeitraum von mindestens 2 – 3 Monaten (einschließlich allfälliger Verbesserungen) annehmen. Nur so erklären sich u.E. die konsequenten Verbesserungen und die hohe Qualität der Pressen aus dem Hause Dingler, sichtbar als eine allgemeine Anerkennung der Leistungen durch Fachleute (Drucker) wie sie an vielen Stellen dokumentiert ist.
Die Presse im Zweibrücker Stadtmuseum ist der Typ den Dingler als „Zweibrücker Presse“ bezeichnet.
Die Pressen die Dingler in industriellem Maßstab herstellte (Hagar-Presse ca. Anfang 1836, Zweibrüker Presse ca. Ende 1836 und Dingler Presse ab ca. 1841, alle mit demselben Pressengestell!) waren offensichtlich erst deutlich nach dem Aufruf zum Marsch auf das Hambacher Schloss verfügbar.
Mit der Seriennummer „148“ ist die Zweibrücker Presse im Stadtmuseum Zweibrücken also im besten Fall aus dem Jahr 1837, sie ist vermutlich aber eher später zu datieren (die genaue Produktionskapazität einschließlich der Verteilung auf die verschiedenen Typen ist nicht bekannt, s.o.).
Zur besseren Übersicht folgt eine Zusammenstellung von manuellen Tiegelpressen, wie sie von Christian Dingler hergestellt wurden.
Zusammenstellung von Pressen aus dem Hause Dingler
Quellen:
- [DIT-01] - Dittmann, Manfred; Buchdruckpressen aus Zorge im Harz; 2013; Verlag Steffen Iff- land, Nordhausen
- [HAS-01] – Hasper, W. – Handbuch der Buchdruckerkunst, Carlsruhe, 1835; D.R. Marx’sche Buchhandlung
- [JFB] – Journal für Buchdruckerkunst, Schriftgießerei und verwandte Fächer, Herausgeber Johann Heinrich Meyer, Braunschweig, diverse Jahrgänge, monatliche Ausgaben ab Juli 1834
Stanhope Presse
(Dingler vor 1832)
Die Presse ist die erste komplett eiserne Presse und wurde von Lord Stanhope erfunden und von seinem Mechaniker Walker erstmals ca. 1800 gebaut (Original-Pressen haben ein „Stanhope invenit, Walker fecit“ eingraviert). Stanhope hat die Erfindung „gemeinfrei gestellt“ und sogar Verbesserungen patentiert (und bezahlt) und wiederum veröffentlicht!
Dingler schreibt am 20.11.1834 an den Herausgeber des [JFB] Meyer, das Schreiben ist im JFB 1834 Nr. 6 (Dezember-Heft) abgedruckt, er liefert auch gleich eine Preisliste für Stanhope, Columbia und Coggerpressen mit.
Außerdem heißt es in seinem Schreiben vom November 1834: „Schon seit mehreren Jahren beschäftige ich mich fast ausschließlich mit der Fertigung von Stanhope- Columbia- und hydraulischen Pressen.“
Dingler hat wesentliche Verbesserungen an der Stanhope’schen Konstruktion vorgenommen, insbesondere am eigentlichen Rahmen. Verbesserungen/Verstärkungen die dieser Zeichnung (absichtlich?) nicht zu entnehmen sind.
Eine Stanhope Presse von Dingler mit #87 ist im Druckmuseum in Darmstadt zu besichtigen.
Columbia Presse
(Dingler vor 1832)
Die Columbia Presse ist eine Erfindung von George Clymer (Amerikaner Schweizer Abstammung) mit UK-Patent von 1817. Die Presse ist allerdings für die USA zu schwer und Clymer baut nur wenige Pressen in den USA (Quellen gehen von 12...max. 20 Stck. aus), er geht dann nach London wo die Presse ein Erfolg wird.
Die Presse hat ein komplexes Hebelsystem zur Krafterzeugung, das dennoch effizienter als die Stanhope’sche Schraube sein dürfte.
Fr. Vieweg aus Braunschweig erwirbt eine Lizenz und lässt die Presse bei den Hüttenwerken Zorge/Harz bauen, andere Hersteller u.a. Dingler folgen.
Konstruktionsbedingt hat die Columbia-Presse eine Schwachstelle, da der Anlenkpunkt des Stößels für den Tiegel sich auf einer Kreisbahn bewegt. Es entstehen daher seitliche Kräfte auf den Tiegel, die durch die massiven Führungen in die Wangen geleitet werden, Zorge hat hierfür Ersatzteile geliefert [DIT-01].
Cogger Presse
(Dingler vor 1832)
Die Coggerpresse wird in der Preisliste im [JFB] im Schreiben vom 20.11.1834 von Dingler erwähnt, wobei zuvor im September-Heft von 1834 der Herausgeber Meyer Bezugsquellen für Cogger-Pressen angibt, ohne dabei aber Dingler zu erwähnen (Dingler nicht als Lieferer von Cogger-Pressen bekannt oder Dingler bringt die Cogger-Presse aus eigener Produktion zwischen September und Oktober 1834 auf den Markt?)
Die Cogger Presse verfügt über einen Keil-Mechanismus zum Erzeugen der Druckkraft.
Hagar-Presse
(Dingler ab Anf. 1836)
Das Vorbild dieser Presse hat Dingler über Hagar (Drucker u. Schrift- gießer) aus New York bezogen. Er nennt sie daher selbst Hagar- Presse, was allgemein aufgegriffen wird, obwohl der Erfinder ein John Wells aus den USA ist, und diese Presse dann von einem Smith kopiert wird. Hasper (Handbuch der Buchdruckerkunst, 1835) schreibt, dass sich Dingler eine solche Presse beim „Erfinder“ Hagar beschafft habe und nachbauen werde.
Dingler stellt die Presse im JFB 1836 Nr. 2 (Februar-Heft) ab Sp. 40 vor. Er gibt an im Januar 1836 bereits 12 Pressen versendet zu haben und weitere 14 im Februar zu versenden.
Die Zeichnung vermeidet es die zusätzliche Führung des Gelenks in der Mitte der Stäbe zu zeigen!
Ob Dingler über Hagar kauft, da amerikanische Fabrikanten z.T. nicht nach Europa verkaufen wollen (keine Patentgesetzgebung zu der Zeit in DE, CH etc.) kann im Moment nur vermutet werden.
Die inkorrekte Bezeichnung als Hagarpresse hat sich (auch als Haagar) allgemein durchgesetzt, wird aber von Dingler im März 1843 erklärt und als Versehen deklariert (im Artikel über die Dinglerpresse). Hagar Pressen von Dingler sind im Gutenbergmuseum, Mainz #304 und im Druckmuseum in Darmstadt #328 zu besichtigen.
Ruggle Presse
(Dingler Datum unbek.)
Dinglers Presse für kleine Drucksachen, im JFB 1836 im Zusammenhang mit der Hagarpresse vorgestellt, Dingler argumentiert mit gerin- geren Personalkosten, da man bei kleinen Drucksachen mit zwei Druckern an einer großen Presse kaum etwas verdienen könne.
Zweibrücker Pr.
(Dingler ab Ende 1836?)
Das ist der Typ Presse wie im Stadtmuseum ZW, Dingler stellt diese Presse im JFB 1837 (Februar-Heft) ab Sp. 20ff. vor und erläutert den Mechanismus. Er gibt einleitend an: „Es sind von dieser Presse bereits mehrere Exemplare versandt worden, deren große Zweckmäßigkeit ehrende Anerkennung gefunden hat.“ Die Presse im Stadtmuseum (Baunummer 148) dürfte damit frühestens aus dem Jahre 1837 stam- men, ist vermutlich aber deutlich später zu datieren. Interessanterweise schreibt Schweiger aus Clausthal am Harz im Folgeheft (JFB 1837 Nr. 3), dass er jetzt auch Hagar-Pressen baut, es wurde also höchste Eisenbahn, dass Dingler ein neues Modell nachlegt!
Bemerkenswert ist, dass die Presse zwar einen anderen Mechanismus zur Krafterzeugung hat, dass aber der Rahmen identisch zur Hagarpresse ist und auch später bei der Dinglerpresse verwendet wird! Die (aufgelöste Bauform mit geschmiedeten Zugstäben innerhalb der gegossenen kannelierten Säulen geht dabei vermutlich auf den Amerikaner Rust zurück, der diese Rahmen-Bauform ab 1829 verwendet.
Zweibrücker Pressen von Dingler sind im Stadtmuseum Zweibrücken #148 und im Druckmuseum in Darmstadt #309 zu besichtigen.
Dinglerpresse
(ab 1841)
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Bearbeitung (Stand: September 2023)
Klaus Meissner / Freundeskreis Zweibrücker Industriekultur